Die Limburgerhofer Zuckerfabrik Friedensau
1851 - 1932
Wenn man über ein Unternehmen von lokaler Bedeutung berichtet,
sollte auch das Umfeld Berücksichtigung finden, auf dem diese
Aktivitäten basieren. Das Jahr der Gründung der Zuckerfabrik
Friedensau 1851 im damaligen Rheingönheim, fällt mitten in die
industriellen Gründerjahre hinein. In unserem Raum, der
Kurpfalz, wurden damals, heute so bedeutende Unternehmen, wie
beispielsweise 1865 die Badische Anilin und Soda – Fabrik in
Ludwigshafen, oder 1872 die Pharma – Fabrik Böhringer, und 1883
der Automobil –Hersteller Mercedes – Benz, beide in Mannheim,
gegründet. Dies sind aus der Riesenpalette nur einige besonders
herausragende Vertreter, deren Zahl beliebig erweitert werden
könnte.
Zucker aus Zuckerrüben, war zur damaligen Zeit, ein in der
Bevölkerung weitgehend unbekannter und unbedeutender Artikel.
Man bediente sich zur Zuckerung von Speisen, jahrtausendelang
entweder eines schon in der Frühzeit der Menschheitsgeschichte
bekannten natürlichen Süßungsmittels, des Bienenhonigs oder man
griff in unserer Region auf Rohrzucker zurück, den man aus
Übersee, meist aus Südamerika, teuer importieren musste und
vornehmlich als Medizin benutzte. Bereits die alten Ägypter und
die Hethiter betrieben Bienenzucht. Die Germanen stellten aus
Honig ihr Nationalgetränk den Met her.
Die eigentliche Geschichte des Zuckers begann erst, als die
Menschen lernten, Zucker aus Pflanzensäften zu gewinnen. In
Asien betrieb man die Zuckerherstellung aus Zuckerpalmen,
Datteln und Zuckerrohr, in Nordamerika aus Zuckerahorn und in
Mittelamerika aus Zuckermais.
Bedeutung erlangte die Zuckerherstellung zunächst durch die
Inder, die den Saft des Zuckerrohres auspressten und
eindickten. Dabei entstanden Kristalle, die sie im Sanskrit
Sarkara, was soviel wie Kies oder Sand bedeutet, nannten. Aus
diesem Begriff leitet sich in allen Sprachen das Wort für
Zucker her. Die Perser sind die Erfinder des Zuckerraffinates.
Während der Kreuzzüge, etwa 1096, kam das Abendland erstmals
mit Zucker in Berührung. Kolumbus brachte auf seiner zweiten
Reise das Zuckerrohr nach Süd - Amerika, wo günstigere
Bedingungen, einerseits durch das wärmere Klima und zum anderen
durch die aus Afrika verschleppten Negersklaven, als billige
Arbeitskräfte für die Zuckerrohranpflanzung herrschten. Man
bezog über die bekannten Handelshäuser der Fugger und Welser,
lange Zeit Zucker aus Übersee. Im Jahr 1573 entstand dann zwar
die erste Zuckerraffinerie in Augsburg, der aber keine lange
Existenz beschieden war.
Nach Lieferausfällen durch die Kriege der Kolonialmächte in
Übersee und die Belegung des Zucker importes mit Schutzzöllen
traten europäische und speziell deutsche Forscher mit der Suche
nach Ersatzpflanzen, die das Zuckerrohr ersetzen konnten, auf
den Plan. Im Jahr 1747 gelang es dann dem Chemiker A. S.
Marggraf an der königlichen Akademie zu Berlin nach
systematischen Untersuchungen, aus dem Saft des weißen
Mangolds, der Zuckerrübe, Kristall – oder Rübenzucker, zu
gewinnen. Damit begann ein gezielter Anbau von Zuckerrüben in
Süd –West - und Mitteldeutschland. Marggrafs Schüler und
Nachfolger, F. C. Achard, begann mit der Züchtung immer
zuckerreicherer Runkelrüben und der Entwicklung eines
technischen Verfahrens zur Zuckerherstellung. Mit Genehmigung
und Unterstützung durch ein Darlehen des König Wilhelm III.,.
errichtete er im Jahr 1802 in Cunern in Schlesien die erste
Zuckerfabrik auf Rübenbasis in Preußen. Dies führte im Kontext
mit der Kontinentalsperre Napoleons 1806 für englische Waren,
zu einer Revolution in der Zuckerversorgung in Europa.
Mehr als 20 Fabriken entstanden darauf allein in
Süddeutschland, die aber nach der Aufhebung der
Kontinentalsperre nach dem Sturz Napoleons, ebenso schnell
wieder verschwanden. Ein neuer Aufschwung der
Rübenzuckerproduktion begann erst wieder im Schutze des
Zollvereins in Deutschland in den dreißiger Jahren des 19.
Jahrhunderts.
Diesem Trend folgte auch der aus dem Schwäbischen bei Stuttgart
stammende Landwirtssohn Johann Conrad Reihlen mit der Gründung
einer Zuckerraffinerie, zunächst in Mannheim. Im Jahr 1848
beteiligte sich, der spätere Schwiegersohn Reihlens, Carl
Gustav Bachmayer, als Geschäftspartner an der Zuckerfabrik
Mannheim. Bereits 1851 konnte J. C. Reihlen seinen Kunden die
Gründung einer weiteren Zuckerfabrik, mit dem Namen Friedensau
im linksrheinischen Bayern nahe des Mutterstadter Bahnhofes
ankündigen. Ein Jahr später, also 1852 nahm die Fabrik den
Betrieb auf (im Volksmund die Zuckerbix genannt). Georg
Butterfaß, sowie die Schwiegersöhne Reihlens, Frickenhaus und
Bachmayer, traten als Teilhaber in die neue Fabrik, die bald
zum bedeutendsten Arbeitgeber auf dem Gelände des damals
eigenständigen Ortes Rheingönheim werden sollte, ein.
Die Gründung der Zuckerfabrik schaffte neben den Arbeitsplätzen
für Industriearbeiter auch Arbeitsplätze in der Landwirtschaft
und führte durch Neuzüchtungen zu immer besseren Zuckergehalten
der Zuckerrüben. So steigerte sich der Zuckergehalt von den
Anfängen von zunächst 6,5 % auf 15 – 16 % heute. Die
wichtigsten Voraussetzungen für den Betrieb einer Zuckerfabrik
in Rheingönheim, dem späteren Limburgerhof, waren dort gegeben.
Man benötigte um weitgehend unabhängig von
Fremdrübenlieferungen zu werden, etwa 200– 300 Morgen Ackerland
zum Rübenanbau, welches man durch anpachten des Limburger
Gutshofes von Francois Biechi und durch Kauf des Steinhauser
Hofes bei Speyer, erwarb. Die zweite Voraussetzung für den
Transport des benötigten Energieträgers Steinkohle, sowie der
Rüben und anderer Einsatzstoffe und den Vertrieb des Zuckers,
fand man durch die Nähe der Pfälzischen Ludwigsbahn. Diese war
am 11. Juni 1847 in Betrieb genommen worden. Sie verband die
Kohlegruben des Saarlandes mit dem Industriegebiet der West –
und der Vorderpfalz. Drei Werksgeleise verbanden die Fabrik mit
dem offiziellen Eisenbahnnetz. Die dritte, ebenso wichtige
Voraussetzung für den Betrieb der Zuckerfabrik, war die
Verfügbarkeit von billigen Arbeitskräften. Die Saisonarbeiter
wurden aus den umliegenden Gemeinden Neuhofen, Otterstadt und
Waldsee rekrutiert. Man bediente sich zu etwa einem Drittel der
Dienste von Frauen, denn diese verdienten damals etwa die
Hälfte eines männlichen Arbeiters. Für Männer war ein Tageslohn
von umgerechnet 1, 25 € und für Frauen 0, 75 € üblich.
Daneben spielte auch die Verfügbarkeit von großen Mengen an
Waschwasser für die Rübenwäsche eine entscheidende Rolle. Man
konnte sich des nahe gelegenen Rehbaches bedienen, dessen
Wasser über die so genannte Schließ zunächst zum Floßgraben und
über den Böhlgraben direkt in die Waschstrassen der
Zuckerrübenfabrik geleitet wurde. Die schlamm – und
kalkhaltigen Abwässer dienten zur Gewinnung von wertvollem
Schwemmland im Bruch zwischen den heutigen Ortschaften
Limburgerhof und Neuhofen. Die mächtigen Abwasserrohre waren
noch zu Ende der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts
beliebte Romantikspielplätze unserer Kinder.
Die Zuckerfabrik Friedensau, die bereits in der Gründerzeit als
größter Arbeitgeber unseres Gemeinwesens mit 30 Mann
Stammpersonal und 300 Saisonarbeitern, in Zeiten der jährlichen
Campagnen von Oktober bis Januar, Brot und Arbeit gegeben
hatte, war auch lange Jahre der bedeutendste Steuerzahler.
Neben der Herstellung von Zucker betrieb man durch Vergärung
der zwangsweise anfallenden Melasse auch eine Spritherstellung
und produzierte zeitweilig, das für die Teerfarben benötigte
Anilin.
1867 wurden die Friedensau und die Mannheimer Fabrik aus einer
Kommanditgesellschaft in eine Aktiengesellschaft mit einem
Stammkapital von 750000 Gulden umgewandelt, wobei jedoch viele
Aktien in Familienbesitz blieben.
Der Betrieb war nicht von Rückschlägen verschont geblieben.
Durch Rückforderungen von Geldeinlagen und den Preisstürzen in
der Landwirtschaft in den achtziger Jahren des !9. Jahrhunderts
und damit Zahlungsunfähigkeit der Pächter war das Unternehmen
im Jahr 1887 gezwungen, Konkurs anzumelden. Es erfolgte eine
Maßnahme, die auch in der heutigen Zeit üblich ist, man suchte
nach einem stärkeren Partner zur Übernahme des Betriebes und
fand diesen in der Frankenthaler Zuckerfabrik. Auch das
Limburger Hofgut musste im Jahre 1892 von der Familie Bachmayer
verkauft werden.
Die Frankenthaler beschränkten sich in den Folgejahren, in dem
sie in Limburgerhof nur noch die Rohzuckerproduktion betrieben
und diese in Frankenthal zu Feinzucker aufbereiteten. Das Werk
Frankenthal ging 1928 mit seinem Anhängsel Werk Friedensau in
der Interessengemeinschaft Süddeutsche Zucker
Aktiengesellschaft Mannheim auf, die aus wirtschaftlichen
Gründen im Jahr 1932 den Betrieb Friedensau in Limburgerhof
endgültig still legte.
Das Industrieareal der Zuckerfabrik fristete in den Folgejahren
ein kümmerlichen Existenz. Einige kleinere Firmen,vor allem der
Nahrungsmittelbranche, siedelten sich vorübergehend an. Ab 1946
betrieb die Firma Biringer eine Zementziegelherstellung oder ab
1950 findet man aus dem sudetendeutschen Raum heimatvertriebene
Glasbläser und Glasschleifer dort bei der Arbeit. Schließlich
erwarb im Jahr 1955 die BASF A.G: den gesamten Komplex,
einschließlich der landwirtschaftlichen Nutzflächen und dem
Bruchgebiet. Die Gebäude dienten als Wohnungen, Büros für die
Landwirtschaftliche Beratung und die Hallen zur Lagerung von
Vorräten und Rohstoffen. Eine Versuchsanlage zur Herstellung
von Brandschutzplatten ( Palusol ) fand ebenfalls eine
Heimstätte. Das Ganze glich aber immer mehr einer Ruine als
einem Nutzgebäude.
Im Oktober 1977 war es dann endlich so weit, dass man sich
entschloss, durch Abriss der einhundertsechsundzwanzigjährigen
Existenz der ehemaligen Zuckerbix, ein Ende zu setzen. Das
Gelände wurde parzelliert, um Platz für ein neues Wohngebiet
mit Einfamilienhäusern frei zu machen. Auf dem Herzstück des
Geländes errichtete die, seit 1930 politisch selbständige
Gemeinde Limburgerhof, ihr neues Ortszentrum, das im August
1983 eingeweiht werden konnte. Es stellt einen formschönen,
modernen Zweckbau mit gemischter Verwendung für Rathaus,
Theater – und Kultursälen, Geschäften, Gastwirtschaften,
Arztpraxen und Wohnungen im Ortsmittelpunkt dar.
Damit ist das Kapitel Zuckerfabrik in der Ortsgeschichte
abgeschlossen.
Bei Recherchen nach schriftlichen Dokumenten aus der Zeit der
produzierenden Zuckerfabrik, tut sich der Chronist schwer, denn
mit dem Übergang des Unternehmens an die Zuckerfabrik
Frankenthal ist auch das Archiv dorthin gewandert. Im
Kriegsjahr 1943, erlitt bei einem verheerenden Bombenangriff
auf Frankenthal, die Zuckerfabrik einen Totalschaden, bei dem
auch das gesamte Archiv unterging. Daher ist auch im heutigen
Zentralarchiv der Südzucker A: G. in Offstein nur wenig zu
finden. Das Stadtarchiv von Ludwigshafen, welches die
Unterlagen des Stadtteils Rheingönheim aufbewahrt, hat noch die
meisten Unterlagen. Im Landesarchiv in Speyer ist die Ausbeute
ebenso unergiebig, wie im Gemeindearchiv von Limburgerhof.
Artikel von Dr. Hansjörg Bipp im Heimatjahrbuch 2006 des
Rhein-Pfalz-Kreises
Interview mit
Dr. Hansjörg Bipp in der Rheinpfalz.
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